Geschichte & Entwicklung:
Der Focusing-Ansatz wurde begründet von Eugene T. Gendlin (geb. 1926 in Wien). Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg emigrierte seine Familie in die USA, wo Gendlin schon während seines Philosophiestudiums Ausschau nach einem Praxisfeld hielt, in dem er unmittelbar studieren kann, was er theoretisch über den Zusammenhang von Erleben, Bedeutung und Konzepte herausgefunden hatte. In Focusing geht es um diesen Prozess des Kreuzens von Denk- und Sprachformen mit der unmittelbaren Praxis. Es geht also um die Frage: Wie vollzieht sich die Verbindung zwischen Kopf und Bauch/Herz? An dieser Schnittstelle also, an der sich Denken und Fühlen kreuzen, ist Focusing zu Hause.
Gendlin wurde Anfang der 50er Jahre Student und Klient am Counseling Center, der Beratungsstelle der Universität von Chicago. Diese wurde von Carl Rogers geleitet, dem Mitbegründer der Humanistischen Psychologie und Begründer des personenzentrierten Ansatzes und der Klientenzentrierten Psychotherapie.
Anfang der 60er Jahre ging Gendlin der Frage nach, warum Psychotherapie manchen Menschen hilft und anderen nicht. Gendlin und Zimring überarbeiteten hierzu hunderte Transkripte und Tonbandaufnahmen aus Therapiesitzungen und formulierten die Variable des Experincing-Niveaus. Um diese Variable zu messen wurde später die Prozess-Skala und dann die Erlebnisskala entwickelt. Mit Hilfe dieser Skalen überprüfte Gentlin und sein Team tausende auf Band aufgenommener Therapiesitzungen. In die Studie nahmen sie dann nur die Therapieverläufe auf, bei denen sich eine Übereinstimmung in der Beurteilung des Klienten, des Therapeuten und des unabhängigen Tests feststellen ließ. Danach lagen zwei Gruppen von Bändern vor: die von erfolgreichen und die von erfolglos verlaufenen Therapien. Die Wissenschaftler verglichen nun die Bänder, um herauszufinden, was den Unterschied zwischen Erfolg und Mißerfolg ausmachte.
Dabei stießen sie auf eine faszinierende Entdeckung:
Als sie zunächst den Therapeuten ihre Aufmerksamkeit beim Abhören der Bänder widmeten, konnten sie keine wesentlichen Unterschiede feststellen, ja man konnte sagen, dass sich die Therapeuten beider Tonbandgruppen in ihrem Therapeutenverhalten ähnelten, obwohl sie unterschiedliche Therapiemethoden anwendeten.
Als sie anschließend auf den Bändern den Klienten zuhörten, konnten sie tatsächlich einen Unterschied feststellen. Und diesen Unterschied konnte man sogar schon bei der ersten oder zweiten Sitzung heraushören. Er war so leicht zu definieren, dass man den Erfolg einer Therapie durch bloßes Anhören der Aufnahme jedes Erst- oder Zweitgespräches vorhersagen konnte.
Der Unterschied lag nicht darin, worüber die Patienten sprachen, sondern der Unterschied lag darin, wie sie sprachen. Auch das war nur ein äußeres Anzeichen für den wirklichen Unterschied, nämlich was im Inneren des Patienten vor sich ging. Was war es, was die Forscher auf den Bändern hörten, das ihnen diese Vorhersagen erlaubte?
An irgend einer Stelle in der Therapiesitzung verlangsamten die Patienten ihr Sprechtempo, drückten sich weniger klar aus und begannen, nach Worten zu suchen, um zu beschreiben, was sie gerade spürten. Auf den Bändern hörte sich das etwa so an: Hmmm. Wie soll ich das beschreiben? Es ist so hier. Es ist...hm... es íst... nicht richtig Wut...hmmm. KlientInnen erwähnten, sagten dann oft, dass sie dieses Gefühl an einer bestimmten Körperstelle spürten, z.B.: 'es ist hier im Hals', oder 'ich hab so einen Druck in der Brust', oder 'ein komisches Gefühl im Bauch'.
Die Untersuchungen führten Gendlin zu der Erkenntnis, dass die erfolgreichen Patienten bereits zu einem gewissen Maße einen Zugang zu Ihrem inneren Erleben mitbrachten und diesen während der Therapie noch verbessern konnten, also die Art und Weise, in der Klient zu seinem Erleben in Beziehung steht. Die erfolglosen PatientInnen besaßen diesen nicht und erwarben ihn auch durch die Therapie allein in keinem Fall.
Mit seiner Entdeckung der Bedeutung körperlicher Prozesse für menschliche Veränderungen und Weiterentwicklungen sorgte Gendlin für einen der maßgeblichen Fortschritte innerhalb des klientenzentrierten Ansatzes.Seit dieser Zeit hat er Focusing weiterentwickelt und ca. 60 wissenschaftliche Arbeiten sowie viele Bücher publiziert.
Für seine herausragenden wissentschaftlichen Veröffentlichungen erhielt er 1970 von der AAP (American Psychologie Association) in Würdigung seines Beitrages zu grundlegenden Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie den 'Distinguished Professional Award'.
In den 80er Jahren gründete Gendlin in Chicago das International Focusing Institut, um Interessierten aus aller Welt die Möglichkeit zu geben, Focusing kennenzulernen. Gentlin entwickelte mit der Hilfe vieler Kollegen eine Anleitung, wie man das nachahmen kann, was die seltenen erfolgreichen Patienten instinktiv richtig machten und entwickelte sechs Schritte, die jede/er an sich selbst oder mit jemand anderem ausführen kann. Die Tatsache, dass man nicht mehr Patient zu sein braucht, um sich diese sechs Schritte anzueignen, bedeutete eine kleine Revolution. Er begann das Resultat seiner Forschungen zum Nutzen und Wohl aller zu verbreiten und veröffentlichte sein Buch, Deutsche Erstausgabe erschien 1981:
Focusing-Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme
von Eugene T. Gendlin (rororo Sachbuch ISBN 3-499-60521-X)
Seither wird Focusing in vielen Ländern der Welt innerhalb und außerhalb des psychotherapeutischen Kontextes unterrichtet und praktiziert und findet damit als Methode in vielen persönlichen und beruflichen Bereichen Anwendung, wie in: Entspannung und Streßreduktion, Kreativität und Kunst, Organisation und Management, Pädagogik und Didaktik, Spiritualität und Meditation, Alltags- und Problembewältigung, Beratung und Gruppenarbeit, Erwachsenenbildung und Coaching u.v.m..
(Dieser Text ist in Anlehnung der Diplomarbeit (Mai 2002) von Ines Verschel: 'Die Türe geht von innen auf' Focusing- eine körperorientierte Methode für die ganzheitliche Erwachsenenbildung)